Leder mit Rhabarber-Gerbung

Es ist weich und etwas stumpf, anstatt kalt und fest. Die Narbung ist mal feiner und mal etwas gröber, anstatt glatt und rutschig. Es duftet fein nach Lederund etwas süßlich. Es atmet. Es nimmt Feuchtigkeit auf und gibt sie wieder ab. Es ist natürlich gefettet, nicht beschichtet. Die Rede ist von Rhabarberleder. Die getrockneten Rhabarberwurzel-Stücke, aus denen der Gerbstoff gewonnen wird, riechen erdig und säuerlich-fruchtig.

Saures mochte die Gründerin von „Rhubarb Technology“, der Firma von der auch wir unser Rhabarberleder beziehen, schon immer. Als Kind brach sie gerne einen Stängel Rhabarber aus dem heimischen Gemüsegarten ab und biss hinein – roh. Den grünen Daumen hat Anne-Christin Bansleben praktisch schon in die Wiege gelegt bekommen: Aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt, unterrichteten Ihre Eltern an der DDR-Landwirtschaftschule, ihre Mutter fuhr Mähdrescher.

Heute kultiviert sie ihr Unternehmen genauso wie ihre Eltern die Ackerpflanzen. Doch lange Jahre fand man sie selber im Gemüsebeet: vier Jahre lang tüftelte sie mit ihrem Uni Professor Ingo Schellenberg (der zusammen mit einem Gerber 1995 die Rhabarberwurzel als Lieferant von Gerbstoffen entdeckte, sie dann aber als Forschungsergebnisse in der Schublade vertauben ließ) und ihrem Mann an der richtigen Anbaumethode. Auf den Versuchsfeldern der Universität kultivierten die Unternehmer 40 verschiedene Rhabarbersorten, bevor sie zufrieden mit dem Ergebnis waren – skalierbar musste das Verfahren sein und der Gerbstoff effizient.

Herausgekommen ist ein Leder, das neue Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit setzt. Die Gründer hatten sich auf die Suche nach einer umweltfreundlicheren Alternative zu herkömmlich gegerbten Leder gemacht – und eine Antwort gefunden. Die benötigten Anbauflächen sind vergleichsweise marginal, auch bei ansteigender Produktion von Rhabarberleder. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass keine Konkurrenz zu Nahrungsmittelpflanzen besteht. Dank des Rhabarbers kann auf schwer abbaubare Stoffe beim Gerben und Einfärben der Häute verzichtet werden. Rhabarberleder ist, im Gegensatz zu herkömmlich gegerbtem Leder, sehr gut biologisch abbaubar: Beim Verrotten entstehen nur Komponenten, die dem natürlichen Kreislauf wieder bedenkenlos zugeführt werden können. Das Schwermetall Chrom hingegen ist nicht abbaubar, theoretisch sind chromgegerbte Lederprodukte Sondermüll. Als Belohnung für die Mühen bekam das Rhabarberleder die IVN- und ECARF-Qualitätssiegel.

Zudem kann Rhabarber in unseren Breitengraden angebaut werden, während andere Pflanzengerbstoffe oft aus fernen Ländern kommen, zum Beispiel die Tarawurzel aus Südamerika. Das Rhahaberleder ein gänzlich regionales Produkt, die komplette Wertschöpfung findet in Deutschland statt. Alle Produktionsschritte, vom Anbau des Rhabarbers, über die Gewinnung des Gerbstoffes bis hin zur Gerbung und dem Leder-finishing erfolgen in Deutschland. Die Häute stammen aus heimischer Nutztierhaltung in Bayern, zum größten Teil greift die Firma auf Rohhäute aus nachhaltiger Viehzucht zurück. Da in Süddeutschland auch gegerbt wird, entfällt das Salzen der Rohhäute um sie für den Transport haltbar zu machen. Der Rhabarber wird nahe Magdeburg angebaut. Durch die lokalen Wertschöpfung kann auf lange Transportwege verzichtet werden. Dank der Kombination aus nachwachsenden Rohstoffen und den technischen Möglichkeiten in Deutschland können natürliche Ressourcen geschont und die heimische Wirtschaft gestärkt werden.

Das Rhabarberleder stellt damit ein Kontrastprogramm zu dem billigen, in Asien mithilfe von Chrom gegerbten Leder da. Die Lederindustrie ist heutzutage sehr globalisiert, die meisten Tierhäute stammen aus Lateinamerika und werden in Asien gegerbt. Jedoch arbeiten viele Kinder in den asiatischen Gerbereizentren. Bei unsauberer Produktion entstehen aus den Chrom-III-Salzen Chrom-VI, welches krebserregend ist und Hautausschläge oder Allergien verursachen kann. Ebenso kann durch Chrom-VI das Immunsystem und die Fortpflanzungsfähigkeit geschädigt werden. Die Arbeiter hantieren jedoch oft unzureichend geschützt mit den Chrom-Bädern. Dei WHO schätzt, dass 90% der in Hazaribagh Arbeitenden – dem Zentrum der Lederindustrie in Bangladesch – sterben werden, bevor sie 50 Jahre alt sind.

Zudem werden spezielle Kläranlagen benötigt, um Chrom aus dem Abwasser herauszufiltern – leider entsprechend die Umweltstandards in Billiglohnländern jedoch nicht denen in Deutschland. Das Blacksmith Institut und Green Cross in der Schweiz zählen Hazaribagh 2013 zu den 10 am meisten verseuchtesten Plätze der Welt. Jeden Tag fallen dort 22000 Kubikliter giftigen Mülls an, darunter krebserregendes Chrom. Ein ähnliches Bild von der Situation in Fern-Ost zeichnet auch die ZDF-Reportage „Gift auf unserer Haut“: Sie zeigt Bilder von Arbeitern in Bangladesch, die knietief in den Brühen aus Chrom und krebserregenden Säuren stehen, gifte Abwässer, die ungefiltert in die Flüsse geleitet werden und abgemagerte Tiere.

Obendrein ist die Chromgewinnung ein ressorcuenintensiver und umweltbelastender Prozess. Das benötigte Chromsalz wird im Tagebau in Asien und Afrika abgebaut. Dies hat Grundwasserabsenkungen und Landenteignungen zur Folge. Die anschließende chemische Umwandlung der Rohmaterialien geschieht unter hohem Energieaufwand; für die Chromaufbereitung sind eine Vielzahl von unterschiedlichen Chemikalien und sehr hohe Temperaturen nötig. Die Arbeitsbedingungen sind bei bei dem Abbau und der Aufbereitung häufig sehr dürftig.

Kein beißender Geruch, keine bedenklichen Schadstoffe. Nicht nur durch das gute Klima zeichnet sich Rhabarberleder aus, sondern auch durch seine Atmungsaktivität und seinen besonders angenehmen Griff und den Tragekomfort. Durch den Gerbeprozess bleibt die einzigartige Struktur und die Geschmeidigkeit von Leder erhalten. Ihr Leder vermarktet Bansleben selber unter dem Label Deepmello; die Wortschöpfung ist von dem tiefzarten Gefühl des Rhabarberleders inspiriert. Das Label stellt Taschen, Rucksäcke und Accessoires aus dem Leder her, genauso wie Jacken, Hosen, Mäntel und andere Kleidungsstücke. Das Kosmetiklabel UndGretl fertigt seine Schminktasche aus dem Rhabarberleder, auch Hessnatur verwendet das Leder. Gleichermaßen setzt Angemeier bei seiner seine greenline Trachten-Kollektion Rhabarberleder ein. Sie alle schätzen die langlebige Individualität, den süßlichen Duft und die samtige Oberfläche des Rhabarberleders.
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